Zum ersten Mal nach 95 Jahren konnte im von apostolischer Zeit bis nach dem Ersten Weltkrieg christlichen Smyrna zu Epiphanias wieder ein öffentliches Gedenken der Taufe Jesu im Jordan stattfinden. Dieses hatte zum letzten Mal am 6. Januar 1922 er orthodoxe Metropolit Chrysostomos Kalafatis am Hafenkai vollzogen. Neun Monate später warfen dort Freischärler Kemal Atatürks die Christen der Stadt – Orthodoxe, Evangelische und Katholiken – ins Meer, während Chrysostomos von einem fanatischen Mob zu Tod gemartert wurde. Jetzt konnte sein letzten Herbst nach fast hundertjährigem Unterbruch eingesetzter Nachfolger Bartholomaios Samaras die traditionellen Wasser-Segnung feiern. Ihm zur Seite Baptisten-Pfarrer Ertan Cevik mit seiner Gemeinde und an die 800 TeilnehmerInnen, die meisten von ihnen aus Russland, der Ukraine, Rumänien, Moldawien und Georgien.
So gibt es fast ein Jahrhundert nach Vernichtung des christlichen Lebens in Izmir wieder eine wachsende kirchliche Präsenz. Diese Entwicklung kann auch von Schikanen des Erdogan-Regimes nicht aufgehalten werden, das besonders evangelische Pfarrer und Gläubige in die Verfolgung der reform-islamischen Gülenbewegung hineinzuziehen versucht. So wurde zuletzt der amerikanische Pastor Andrew Craig Brunson Mitte Dezember wegen Kontakten zu Anhängern Gülens verhaftet. Er wirkte seit 20 Jahren in der Türkei und wäre 2011 beinahe einem Islamisten-Mörder zum Opfer gefallen. Das alles kann aber nicht verhindern, dass Arbeitsemigranten aus dem ehemaligen Ostblock, die meist ohne jede kirchliche Bindung in die Türkei gekommen sind, sich dort jetzt neuen evangelischen oder orthodoxen Gemeinden anschliessen. Da viele von ihnen nicht getauft sind, und wegen der historischen Verwurzelung des Baptistentums in Russland, der Ukraine, im Kaukasus und Rumänien, wird Izmirs baptistische Gemeinde bevorzugt. Sie wurde 1999 von dem in Deutschland ausgebildeten und ordinierten Ertan Cevik zunächst als Hauskirche begründet.- Ähnlich liegen die Verhältnisse in Samsun an der türkischen Schwarzmeerküste.
Bei Bursa südöstlich von Istanbul verkauften die örtlichen türkischen Behörden – von der Oppositionspartei CHP – unlängst zwei seit 1923 verlassene und verfallene Kirchen zurück. Der orthodoxe Bischof Elpidoforos Lambriniadis liess sie renovieren und stellte sie auch den zusammen etwa 400 evangelischen und katholischen Christen der Region zur Verfügung. Der Bedarf war umso dringender, als die bisher von allen Konfessionen gemeinsam genutzte alte „französische“ Kirche im Zentrum von Bursa 2016 den Christen vom Bürgermeister der Erdogan-Partei AKP weggenommen wurde. Eine internationale Unterschriftenaktion konnte nur den Aufschub dieser Massnahme erreichen.
Die „Neu-Orthodoxen“ der Gegend zählen an die 2000, fast alle aus Russland und der Ukraine. Sie haben in der Schwerindustrie von Bursa Arbeit gefunden und leben inzwischen meist in Mischehen mit islamisch-türkischen PartnerInnen. So sind schon eine Reihe gesamtfamiliärer Hauskirchen entstanden, doch gibt es auch blutige Glaubenskonflikte: Z.B. die Ermordung einer Russin durch ihren Muslim-Mann, weil sie nicht bereit war, Jesus zu verleugnen.