Erzpriester Alexander Lapin
Geschichtliches
Das Griechentum und die christliche Orthodoxie spielt in der Geschichte Österreichs eine nicht unwichtige Rolle. Griechische Aufschriften vom christlichen Charakters fand man bereits bei den archäologischen Ausgrabungen in der einstigen römischen Stadt Carnuntum, etwa 20 km östlich von Wien. Die Fürsten der Dynastie von Babenberger, die im Frühmittelalter Österreich regierten, heirateten gleich zweimal byzantinische Prinzessinen: Theodora Komnena (1134-1184) und Theodora Angela (1180-1246). Beide diese Hochzeiten fanden in der Kirche zu Haghia Sophia in Konstantinopel statt und dies, trotz der bereits herrschenden Kirchentrennung zwischen Ost und West.
Ab den Türkenkriegen im 17. Jahrhundert und mit der nachfolgenden Expansion des Habsburgischen Reiches in den Südosten Europas wurden die christlich-orthodoxe Völker nach und nach zum festen Bestandteil des Österreichischen Imperiums. Von den damaligen Griechen weiß man, dass sie tüchtige Händler waren. Außerdem behauptet man, dass es gerade die Griechen waren, die das spätere österreichische Bankwesen begründet haben.
Die Serben wiederum beteiligten sich aktiv an dem Schutz der südlichen Grenzen der österreichischen Monarchie. Im südlichen Ungarn und in Slawonien. Und die orthodoxen Rumänen bildeten den wichtigen Teil der Bevölkerung von Siebenbürgen und Banat, was heute im Wesentlichen dem westlichen Teil Rumänien entspricht. In den karpatischen Bergen Galiziens (heute zwischen Polen, Slowakei und Ukraine) lebten die ost-slawische Ruthenen, auch „Russiner“ genannt. Sie waren seit jeher der Byzantinischen Liturgie verbunden, uns auch wenn sie nach 1596 durch die Brester Union in die Jurisdiktion Roms gezwungen wurden, blieben ihre Sympathien in Richtung Orthodoxie stets aufrechterhalten.
Die Veränderung der konfessionellen Landschaft innerhalb der Österreichischen Monarchie wurde durch die Ausgabe des „Toleranzpatent“ im Jahre 1781 durch den Kaiser Josef II. bekräftigt. Darin wurde verfügt, dass die Protestanten, aber auch die „Nicht-Unirte Griechen“, d.h. alle Orthodoxen Christen der Monarchie, das Recht und Garantie auf das „Exercitium“ d.h. Ausübung ihres Glaubens, uneingeschränkt genießen.
Dieser Umstand projizierte sich einige Zeit später auch in die Organisationsstruktur der österreichischen Armee. So gab es ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, neben römisch-katholischen, evangelischen, griechisch-katholischen (unirten), moslemischen und jüdischen auch die orthodoxen Militärseelsorger. Ja und wie ein Gemälde im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum aus dem Jahr 1895 bezeugt, dürfte es sogar einen orthodoxen Militärbischof gegeben haben. Auf jeden Fall laut offiziellen Aufzeichnungen gab es zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs mehr als 350 orthodoxe Militärseelsorger, die ihren aktiven Dienst in der Kaiserliche Armee versehen haben.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zerfiel der große Vielvölkerstaat und es bildete sich eine kleine alpenländische Republik Österreich. Die Militärseelsorge reduzierte sich somit auf die römisch-katholische und evangelische Konfession. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs kamen nach Österreich zwar immer wieder christlich-orthodoxe Zuwanderer, doch erst nach dem Jahr 1989, nach der Öffnung Osteuropas kam es zur entscheidender Veränderung der Religionslandschaft auch in der nunmehrigen Republik Österreich.
Die Religionslandschaft Österreichs
So wuchs in dem, einst mehrheitlich katholischen Land, die Anzahl jener, die sich als „ohne Religionsbekenntnis“ deklarieren stetig an. Außerdem stieg Anzahl der Muslime konstant an, so dass diese zur zweit größter Religion des Landes wurden. Aber auch der Anteil der Orthodoxen Christen in Österreich wurde immer größer. Und zwar im Osten Österreichs, wo die Orthodoxen Christen mehr als 10 % der Bevölkerung die zweitgrößte christliche Konfession darstellen.
Heute setzten sich die Orthodoxen Christens Österreich zum größten Anteil aus Serben zusammen, gefolgt von Rumänen, Bulgaren und den Angehörigen der Russischen Kirche. Aber auch die Zahl der Griechen und der griechisch-orthodoxen, arabisch-sprechenden Antiochener ist im Steigen begriffen. Außerdem gibt auch es eine kleine Gemeinde von orthodoxer Georgier.
Auf dieser Stelle ist es zu erwähnen, dass auch die Anzahl von anderen östlichen Christen in Österreich im Wachsen begriffen ist. Dazu gehören die alt-orientalischen Kopten, Syrer sowie diverse Christen aus Irak und sogar aus Indien. Auch die Anzahl der Ukrainer, und damit auch die Anzahl der, mit Rom unirten „griechisch-katholischen“ Christen, ist in Österreich steigend.
Dieser Realität entsprechend wurde vor etwas mehr als 5 Jahren, seitens der Orthodoxen Christen, die „Orthodoxe Bischofskonferenz“ konstituiert. Sie wird von den, für die in Österreich existierenden orthodoxen Gemeinden, zuständigen Bischöfe gebildet und tagt zweimal im Jahr. Ihr Vorsitz obliegt gemäß den kanonischen Prinzipien der Orthodoxen Kirche, dem Bischof des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. Gegenwärtig wird diese Funktion von Seiner Eminenz Metropolit Arsenios (Kardamakis) wahrgenommen.
Gleich zum Anfang ihrer Tätigkeit beschloss die Orthodoxe Bischofskonferenz, damals unter dem Vorsitz von Seiner Eminenz Metropolit Michael (Staïkos), gleich zwei wichtige Entscheidungen. Zu einem war es die Organisation des Religionsunterrichts für Orthodoxe Schüler an den Pflichtschulen Österreichs. So gibt es heute mehr als 100 Lehrer und Lehrerinnen sowie zwei Schulinspektoren.
Die zweite wichtige Entscheidung betraf die Einrichtung der Orthodoxen Militärseelsorge für die der Priester Alexander Lapin bestimmt wurde.
Seit Juni 2011 hat das Österreichs Bundesheer einen eigenen orthodoxen Seelsorger.
Vater Alexander, wie es nach der üblichen Anrede eines orthodoxen Priesters korrekt heißt, wurde in Prag geboren, wobei seine Familie ursprünglich aus dem vorrevolutionären Russland stammte. Im Jahr 1968 kam Alexander Lapin nach Österreich, wo er maturierte und anschließend Chemie und Medizin an der Universität Wien studierte. Demnach ist er heute in seinem zivilen Beruf als Facharzt für Labordiagnostik tätig. Im Jahre1984 leistete er beim Österreichischen Bundesheer seinen Präsenzdienst ab und später absolvierte er nebenberuflich das Studium der Orthodoxen Theologie an der Universität Prešov in der Slowakei und wurde zum Priester der Orthodoxen Kirche der Tschechischen Ländern und der Slowakei geweiht. Heute, in seiner Funktion als orthodoxer Militärseelsorger zu der er 2011 von der Orthodoxen Bischofskonferenz bestellt wurde, zählt er zum Klerus der Griechisch-Orthodoxen Metropolis von Austria des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. Der nunmehriger Erzpriester Alexander Lapin unterrichtet außerdem an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien / Krems, wo angehenden Orthodoxe Religionslehrer ausgebildet werden. Vater Alexander ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.
Tätigkeit des Orthodoxen Militärseelsorgers
Laut der offiziellen Arbeitsvereinbarung setzen sich die Aufgaben des Orthodoxen Militärseelsorgers aus berufsethischer Bildung, „lebenskundlichen“ Unterrichts, seelsorgerischer Betreuung, Beratung der Kommandanten in Religionsfragen sowie aus dem Beistand in persönlichen Krisensituationen zusammen. Außerdem wird vom Orthodoxen Militärseelsorger erwarten, dass er bei verschieden protokollarischen Anlässen, wie Angelobungen, offiziellen Feierlichkeiten, Ehrungen und Traditionsveranstaltungen stets präsent ist.
In der Praxis bedeutet dies, dass es für Rekruten regelmäßiger Unterricht mit katechetischen, militärethischen sowie gesellschaftspolitischen Themen gibt. Für die Kader-Angehörige und Offiziere werden Fortbildungsseminare, Vorträge und Podiumsdiskussionen, oft in Kooperation mit anderen Militärischen Institutionen wie Akademien, Schulen und Vereinen veranstaltet. Sie betreffen aktuell-politische, historische aber auch theologische Themen. Zu einem wichtigen Thema der letzten Zeit entwickelte sich der Themenkomplex rund um die Frage des transkulturellen Umgangs am Arbeitsplatz.
Ein überaus wichtiger Aspekt innerhalb der Tätigkeit des Orthodoxen Militärseelsorgers, ist seine liturgische Präsenz. Gemeint sind damit etwa die Angelobungen von jungen Rekruten, Segnungen von Fahnen, Gebäuden u.dgl. aber auch Gedenkgottesdienste bei denen den Verstorben, Gefallenen und in den Weltkriegen Umgekommenen gedacht wird. Zu den Höhepunkten gehören die Gottesdienste vor der Truppe, die meist unter freien Himmel gefeiert werden. So etwa die Göttlicher Liturgie oder die Große Wasserweihe zum Fest der Taufe Jesu im Jordan (Theophanie).
Angesichts der Tatsache, dass die Orthodoxen Soldaten fast ausnahmslos der Migrationshintergrund aufweisen, wurde verfügt, dass sämtliche Feierlichkeiten in deutscher Sprache abzuhalten sind. Für viele junge Menschen, die durch allmähliche Assimilation der Muttersprache bzw. der kirchlichen Sprache nunmehr wenig kundig sind, kann es von Vorteil sein. Oft ist es gerade bei solchen Gottesdiensten, dass sie für sich unerwartet das erste Mal das liturgische Geschehen vollständig verstehen.
Ein anderer, positiver Aspekt ergab die Tatsache, wonach der Orthodoxe Militärseelsorger bemüht ist, jeden Sonntag jeweils in einer anderen Orthodoxen Kirchengemeinde mitzufeiern. Damit entstand gewissermaßen eine natürliche Brückenfunktion zwischen verschiedenen autokephalen Orthodoxen Kirchengemeinden. Zumindest innerhalb der österreichischen Hauptstadt Wien.
Heiliger Großmärtyrer Merkurios
Die nunmehrige Bemühung der Orthodoxen Militärseelsorge fand sich, so gut wie unerwartet in der, anfangs gewählten Symbolik wieder. So wurde seinerzeit mit dem Segen Seiner Eminenz Metropoliten Michael (Staïkos), der Heilige Merkurios als Patron der Orthodoxen Militärseelsorge ausgewählt:
Ein Römischer Offizier, möglicherweise im Rang eines Obersts, lebte im 3.Jahrhundet in Kleinasien. Also zu jener Zeit, als das Christentum noch nicht gespaltet wurde, allerdings brutalen vVerfolgungen ausgesetzt wurde.
Merkurios wurde bekannt als ein standhafter Mann und als guter Soldat der stets zu seinen Worten stand. Er wurde Christ und starb als Märtyrer. Was diesen Heiligen Großmärtyrer für uns zusätzlich bemerkenswert macht, ist die Tatsache seines „Migrationshintergrundes“. Von seiner Abstammung her war heilige Merkurios kein Römer, sondern ein Skyte. Und als solcher von dem römischen Establishment nicht gerade geliebt. Trotzdem war er in seinem militärischen Beruf erfolgreich und durch seine Charakterstärke und Martyrium schließlich, als Mensch und Heiliger verehrt. Übrigens, sein Fest wird am 24. November gefeiert.
Bemerkenswerter Weise wies ähnliche Charakterzüge auch der ranghöchste österreichische Militär der zugleich ein bekennender Orthodoxer Christ war. Der Feldmarschall Svetozar Borojevic von Bujna (1856-1920) stammte aus einfachsten Verhältnissen eines in Kroatien lebenden Serben. Er vollfühlte eine bemerkenswerte berufliche Laufbahn indem er sich zu dem höchstmöglichen militärischen Rang hinaufgearbeitet hat. Als Kommandant war der Feldmarschall Boroevic stets um seine Soldaten bemüht und als Mensch stand er immer zu seinem Wort. Seinen Orthodoxen Glauben hat er nie verleugnet.
Ziel und Zweck der Militärseelsorge von heute
In Zeiten der allgemeinen Verunsicherung durch massive interkulturelle Konfrontationen und Globalisierung, zeigt sich die Österreichische Armee innerhalb der – kulturell zu Westeuropa zählenden Staaten innovativ und mutig. So wurde neben der traditionellen katholischen und evangelischen Militärseelsorge, nicht nur – vor 5 Jahren die Orthodoxe, sondern auch vor 1 Jahr die Muslimische Militärseelsorge errichtet. Die Errichtung der Alevitischen Militärseelsorge steht unmittelbar bevor.
Paradoxerweise zeigt sich immer mehr, dass die Religion nicht nur ein Fundament jeglicher Kultur bildet, sondern auch das Fundament für das richtige Handeln in den Schüsselsituationen des Lebens liefert. Sei es bei der altersbedingten Umgestaltung im Leben der jungen Männer, sei es in kritischen Situationen ihres militärischen Einsatzes.
Paradoxerweise scheint dies unabhängig von der konfessionellen oder religiösen Ausrichtung zu gelten, so ferne man die eigene Religion im Verständnis und die des Anderen im Respekt betrachtet. Beides dürfte die Voraussetzung für eine konstruktive und gemeinsame Zukunft zu sein scheinen.
Und schließlich paradox scheint auch zu sein, dass die Österreichische Armee eine der wenigen dieser Welt ist, wo man mit Wertschätzung und Respekt der eigenen sowie der jeweils der anderen Religion zuversichtlich in die gemeinsame Zukunft blickt.