Maria Elenas Vorgeschmack vom Glück. „One last breath“ hat beim Song-Contest langen Atem

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Mit einer Million Blumen in 1500 extra für diesen Song Contest bepflanzten Beeten grüßte die Wienerstadt am Wochenende Griechenlands musikalische Botschafterin Maria Elena Kyriakou, ihre Mitbewerberinnen und Mitbewerber. Kaum weniger blumig sind nach den ersten Proben die Urteile österreichischer und internationaler Medien über die Sängerin aus Zypern in griechischer Mission ausgefallen. Die Tageszeitung „Österreich“ vom gepflegten, kunstsinnigen Boulevard wertete die – trotz ihrer drei Kinder – „Knospe vom Mittelmeer“ zur „großen Stimme“ unter 40 anderen auf. Ebenso wurden ihrem Lied „One Last Breath“ mit der Klassifizierung als „klassische Song-Contest-Dramaballade“ reale Chancen auf einen Sieg oder zumindest die Spitzengruppe eingeräumt. „Österreich“ zeigte sich sonst mit seinem Lob extrem sparsam. Sogar das von anderen als Favorit hochgespielte „Il volo“ des italienischen Gesangstrios „Grande Amore“ wird in dem meinungsbildenden Massenblatt als „vor Schmalz triefende Pop-Klassik“ abgetan. Und zu dem von vielen weit vor seiner Landsfrau Kyriakou gereiten Zyprioten Giannis Karagiannis meint das Musikteam von „Österreich“ überhaupt: „Weder seine Show noch das Lied bleiben wirklich lange im Gedächtnis“.

Die GrZ begleitet Maria Elena Kyriakou in Wien von ihrer Ankunft am Flughafen Schwechat an, war beim Empfang zu ihren Ehren auf der Griechischen Botschaft und beim Besuch der jungen Künstlerin in der über 200jährigen Griechischen Nationalschule mit dabei. In Gesprächen zwischen sich jagenden Terminen auf der Song-Contest-Riesenbühne in der Wiener Stadthalle, bei Bürgermeister Michael Häupl im Rathaus oder bei den Vorbereitungen für das erste Semifinale am Dienstag Abend, ergab sich das Bild einer Frau, die nicht nur mit großem musikalischen Talent und nicht minderer Schönheit glänzt, sondern auch Köpfchen hat. Auf die Frage, wie sie sich als schon dreifache Mutter in ihre Karriere als Sängerin gestürzt hat, meint sie verschmitzt: „Nun, Kinder und Gesang gehören für mich einfach zusammen. Meinen ersten Gesangspreis bekam ich beim Kindermusikwettbewerb von Zypern. Ich hoffe, dass das ein gutes Omen für Wien wird!“ Angesichts der fast 30 Mio. Euro, die sich Österreich diesen Song-Contest kosten lässt, will bei der Vertreterin des derzeit so armen Griechenlands kein Neid aufkommen: „Ich bin dankbar dafür. Denn irgendwie kommen diese Millionen auch mehr europäischer Zuneigung zu allem Griechischen zugute, mag ich nun siegen oder nicht!“

Vor Beginn der Ausscheidungen hat sich Maria Elena Kyriakou mit einer Botschaft an alle Freunde Griechenlands gewandt: „In diesem Jahr feiern wir 60 Jahre Eurovision, das größte Festival der Musik in Europa, eine Institution, die seit Jahrzehnten «Brücken» zwischen den Völkern durch die Kunst baut – wie treffend heißt das Motto der diesjährigen Veranstaltung ‚Brücken bauen’.

Am Dienstag den 19. Mai werde ich mit meinem Lied One Last Breath im ersten Halbfinale des Eurovision Song Contest auftreten.  300 Millionen europäische BürgernInnen, werden diesen großartigen Event mitverfolgen.

In dieser Hinsicht würde ich mich sehr freuen, wenn Sie mir und meinem Team Ihre Unterstützung geben. Zuerst am 19. Mai im Halbfinale und natürlich – mit Ihrer aktiven Hilfe auch im Finale am 23. Mai!“

In Griechenland dürfen zwar keine Stimmen für die Repräsentantin des eigenen Landes abgegeben werden. Die GrZ ruft jedoch ihre vielen und treuen Leserinnen und Leser in Deutschland, Östereich und er Schweiz auf, unserer Maria Elena Kyriakou mit ihren Anrufen für den Sieg zu beflügeln!

Text: Heinz Gstrein                                           Bilder: Georg Gstrein

Orthodoxes Konzil nimmt Gestalt an Alles vorprogrammiert – Doch Überraschungen nicht ausgeschlossen

BARTHOLOMAIOS

Von Heinz Gstrein

Istanbul. Nächstes Jahr zu Pfingsten nach dem alten Kirchenkalender, d.h. ab 19. Juni 2016, wird in der Konstantinopler Irenenkirche das griechisch-orthodoxe Konzil seinen Anfang nehmen. Der erste Schritt dazu ist bereits abgeschlossen: Zwischen Oktober 2014 und Anfang April 2015 hat eine Sonderkommission die zum Teil noch aus den frühen 1980er Jahren stammenden Konzilsvorlagen aktuell überarbeitet. An den Ergebnissen sind positive Weiterentwicklungen in der orthodoxen Kirchenfamilie festzustellen. Nur in Sachen Ökumene gibt es einen Rückschritt den reformatorischen Christen gegenüber. Ihnen wird allzu weitgehende „Liberalisierung“ in Sachen Kirchenordnung und christlicher Ethik angelastet. Nachdem auch eine „Redaktionskommission“ unter Vorsitz des montenegrinischen Metropoliten Amfilohije Radovic ihre Arbeiten abgeschlossen hat, steht als nächstes im kommenden Herbst eine „Präsynodale Panorthodoxe Konferenz“ auf dem Programm.

Diese „Heilige und Große Synode der Orthodoxie“ lässt sich in ihrer gesamtchristlichen Bedeutung schon im voraus mit dem II. Vatikanum vergleichen. Ihre Vorbereitung hatte parallel zu dessen Einberufung in kongenialem Zusammenwirken zwischen Papst Johannes XXIII. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. begonnen. Der orthodoxe Konzilsplan als solcher ist aber viel älter. Angefangen mit den diesbezüglichen Enzykliken des Ökumenischen Patriarchen Joachim III. von 1902 und 1904 und besonders mit der Panorthodoxen Konferenz von 1923. Diese hatte eindeutig Reformcharakter, nachdem sich besonders die orthodoxe Geistlichkeit in Griechenland und Serbien gegen das ihr auferlegte Verbot einer Eheschließung nach der Weihe und den Zwang zu mittelalterlicher Haartracht und Kleidung aufgelehnt hatte. In Konstantinopel wurde der Verband „Anagennesis“ (Wiedergeburt) gegründet. Sein gleichnamiges Organ forderte eine radikale Modernisierung des zuletzt vor über 1000 Jahren nach dem Vorbild der byzantinischen Klöster gestalteten gesamten kirchlichen Lebens.

Darauf berief Patriarch Meletios IV. Metaxakis (1922-1923) an seine Residenz im Phanar am Goldenen Horn eine Reformkonferenz ein. An ihr nahmen außer seiner eigenen die Kirchen von Russland, Rumänien, Serbien, Griechenland und Zypern teil, um „sich über dringenden Fragen der Zeit zu beraten, welche die Ordnung der orthodoxe Kirche in ihrer Gesamtheit betreffen.“

Metropolit Serapheim Iakovou, Delegierter des Patriarchats von Alexandria und ganz Afrika beim Genfer Weltkirchenrat (ÖRK) und der EU in Brüssel, beschäftigt sich in einer eben erschienenen Untersuchung mit der Bedeutung dieser Konstantinopler Konferenz für das kommende Konzil. Im Unterschied zum konservativen „neuorthodoxen“ Theologen Justin Popovic (1894-1979), den die serbische Kirche inzwischen sogar heiliggesprochen hat, wertet der aus Zypern stammende Iakovou Patriarch Meletios IV. nicht als „selbstherrlichen Modernisten und Stifter der Zwietracht in der Orthodoxie“, sondern sieht in ihm einen Wegbereiter zur „Heiligen und Großen Synode“. Zwar haben die widrigen politischen Umstände der damaligen Zeit (Bolschewismus, Vertreibung fast aller Orthodoxen aus der Türkei) eine Rezeption der Beschlüsse von 1923 mit einziger Ausnahme der „neojulianischen“ (bewegliche Feste weiter nach dem alten „Stil“, aber „festes“ Kirchenjahr gregorianisch) Kalenderreform verhindert. Doch erblickt Metropolit Serapheim gerade in der damaligen Aufhebung der Wirksamkeit höherer Weihen als Ehehindernis ein Postulat für das Konzil von 2016 und fragt sich: „Ist es darüber hinaus nicht an der Zeit, dass die Allorthodoxe Synode die altchristliche Kirchenordnung wieder herstellt, auch verheiratete Geistliche ins Bischofsamt zu wählen und bereits zölibatären Bischöfen das Ehesakrament nicht zu verweigern? Ich glaube, dass für diese wichtigen Anliegen keinerlei dogmatisches, theologisches oder moralisches Hindernis besteht!“

Nach fast vierzigjähriger Unterbrechung der orthodoxen Konzilspläne – von einer Konsultation 1930 am Berg Athos abgesehen – gaben erst die römisch-katholischen Vorbereitungen auf das II. Vatikanum wieder Anstoß zu parallelen Bemühungen. Die I. Panorthodoxe Konferenz auf der Insel Rhodos erstellte 1961 eine Liste von gleich 100 Themen, mit denen sich eine Große Synode beschäftigen sollte. Grundsätzlich wurde dieses Ostkirchen-Konzil dann 1963/64 ebenfalls auf Rhodos als „Ausdruck der Einheit im Zeugnis der Orthodoxie angesichts der Probleme unserer Zeit und in ihren Beziehungen zur Gesamtheit der christlichen Welt“ definiert. Was fast genau dem Selbstverständnis des II. Vatikanischen Konzils entsprach. Darauf weist besonders der katholische Orthodoxie-Fachmann Nikolaus Wyrwoll hin.

Zwischen 1976 und 1986 strafften dann drei gesamtorthodoxe „Vorkonziliare Konferenzen“ die ursprünglich zehnmal so vielen Diskussionspunkte auf die folgenden Beschlussvorlagen:

  1. Die orthodoxe Diaspora 2. Die Autokephalie (kirchliche Selbständigkeit) und die Art ihrer

Proklamation 3. Die Autonomie (kirchliche Selbstverwaltung im Rahmen einer

Autokephalkirche) und die Art ihrer Proklamation 4. Die Diptycha (Rangordnung der orthodoxen Kirchenoberhäupter) 5. Die Frage des Kirchenkalenders und das Osterdatum 6. Die Ehehindernisse 7. Die Anpassung der Fastenvorschriften

  1. Die Haltung der orthodoxen Kirchen gegenüber der übrigen

christlichen Welt

  1. Die Orthodoxie und die Ökumenische Bewegung
  2. Der Beitrag der orthodoxen Kirchen zur Durchsetzung der christlichen Ideen des Friedens, der Freiheit, der Geschwisterlichkeit und der Liebe zwischen den Völkern und die Überwindung der Rassendiskriminierung.

Bei der jetzigen Revision dieser Vorlagen ergaben sich – abgesehen von dem schon erwähnten ökumenischen Zurückkrebsen den evangelischen Christen, Anglikanern und Altkatholiken gegenüber –

noch folgende Neufassungen und Umstellungen: Die ersten vier Konzilsthemen wurden zu einem einzigen ekklesiologischen „Schema“ zusammengezogen. Dafür wird sich wahrscheinlich bis 2016 kein einvernehmlicher Entschließungsantrag erstellen lassen. Zu unterschiedlich sind zwischen Konstantinopel und Moskau die Auffassungen von der Rolle des Ökumenischen Patriarchen als eines Koordinators und Sprechers oder nur Ehrenvorsitzenden der griechisch-orthodoxen Kirchenfamilie. Die russische Kirche will ihm auch das Recht auf die Bildung neuer autokephaler und autonomer Kirchen absprechen und dieses der jeweiligen Mutterkirche zuerkennen. Wie sie das bereits mit der Verselbständigung der „Orthodoxen Kirche von Amerika“ im Alleingang für sich in Anspruch genommen hat. Strittig auch die bisherige Reihenfolge im Rang der orthodoxen Patriarchate und autokephalen Kirchen. Zumindest Zyperns im ganzen Mittelmeerraum und in der Afrikamission aufstrebende Orthodoxie möchte von ihrem 10. Platz vor die erst neuzeitlichen Patriarchen Osteuropas und des Balkans gleich hinter Jerusalem an die 5. Stelle gereiht werden. Dazu gibt es Tendenzen, die ganze historisch entstandene Rangordnung nach der Stärke an Gläubigen umzubauen. Das würde Moskau zum Primas machen und das bisherige „Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel unter „ferner liefen“ bei den Kleinkirchen ansiedeln. Diese Absicht hatte sich zum ersten Mal 1966 bei der Theologischen Konferenz von Belgrad manifestiert.

Die drei Konzilsvorlagen zum Kirchenkalender, den Ehehindernissen und Erleichterungen beim bisher der ganzen Gemeinde auferlegten klösterlichen Fasten wurden unverändert in ihrer Fassung von 1982 belassen. Mischehen gelten grundsätzlich weiter als unzulässig, können aber im Einzelfall mit Dispens (Oikonomia) geschlossen werden.

Zu einem Text hat die Sonderkommission bei ihrer Session Anfang Oktober 1914 auch die alten zwei Entschließungsanträge über die Haltung zu den anderen Christen und speziell zur Ökumenischen Bewegung zusammengefasst. Ausdrücklich bejaht werden darin jetzt die theologischen Dialoge mit andersgläubigen Christen, kritisch hingegen die Haltung zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und der Europäischen Kirchenkonferenz (KEK). So teilt jedenfalls der rumänische „Konzilstheologe“ Viorel Ionita mit. Tatsächlich haben einige orthodoxe Kirchen dem ÖRK bzw. der KEK bereits den Rücken gekehrt.

Auf der „Heiligen und Großen Synode der Orthodoxie“ wird es also in erster Linie um kirchliches Selbstverständnis und Kirchenstruktur gehen, wie das ebenso im Katholizismus beim I. und weitgehend auch beim II. Vatikanischen Konzil der Fall war. Was unter den Vorlagen fehlt, ist das Anliegen einer orthodoxen Liturgiereform. Schon längst wird von der Basis eine Straffung und Verinnerlichung der überlangen, mit hohlen Phrasen und Texten überfrachteten Gottesdienste klösterlicher Herkunft für ein lebendiges liturgisches Leben der Gemeinden gefordert. Bisher zeichnen sich auch keine Persönlichkeiten ab, die mit dieser wichtigen Frage auf dem Konzil vorpreschen könnten.

Um Vorbereitung und Zustandekommen der Großen Synode haben sich neben dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem russischen Metropoliten Hilarion Alfejev von Volokalamsk vor allem der Konstantinopler „Cheftheologe“ Metropolit Ioannis Zizioulas von Pergamon und am Ständigen Konzilssekretariat in Chambésy bei Genf der Schweizer Metropolit Jeremias Kaligiorgis, Erzpriester Georgios Tsetsis und Prof. Vlasios Pheidas verdient gemacht. An die Seite dieser „alten Männer“ des orthodoxen Konzilsgedankens – für Hauptwegbereiter Metropolit Damaskinos Papandreou haben die Vorbereitungen zu lang gedauert, um die Synode selbst erleben zu können – sind zuletzt „junge“ Bischöfe und Theologen getreten. So aus Griechenland Metropolit Chrysostomos Savvatos von Messenien, der rumänische Ökumeniker Metropolit Nifon Mihaita von Targoviste, Metropolit Sotirios Athanasoulas von Toronto, der schon erwähnte alexandrinische Metropolit Serapheim Iakovou u.a. Als eine Art orthodoxe Konzilstheologen wie einst Karl Rahner beim II. Vatikanum haben sich aus Moskau Erzpriester Nikolaj Balaschov, der schon erwähnte Viorel Ionita und besonders vom Ökumenischen Patriarchat Erzdiakon John Chryssavghis aus den USA profiliert.

Zur Teilnahme an der „Großen Synode“ sind nicht etwa alle griechisch-orthodoxen Bischöfe aufgerufen, wie das bei den Allgemeinen Kirchenversammlungen des ersten christlichen Jahrtausends oder dann katholischerseits zuletzt beim I. und II. Vatikanum der Fall war: Jedes der 14 – und vielleicht bis 2016 mit einer autokephalen makedonischen Orthodoxie 15 – Glieder der orthodoxen Kirchenfamilie wird durch maximal 24 Konzilsväter vertreten sein. Kleine orthodoxe Kirchen wie jene von Albanien, Polen oder von Tschechien und der Slowakei bleiben unter dieser Teilnahmebeschränkung und werden alle ihre Bischöfe nach Istanbul entsenden. Die orthodoxen Großkirchen der Patriarchate von Konstantinopel, Moskau oder Bukarest können aber nur mit einem Bruchteil ihres Episkopats an der Synode teilnehmen. Insgesamt werden sich in der Irenenkirche am 19. Juni 2016 um die 300 orthodoxe Bischöfe versammeln. Das sind doppelt so viele, als in derselben 381 am I. Konzil von Konstantinopel teilgenommen hatten. Mehr hätten in dem nicht allzu großen Gotteshaus auch nicht Platz. Insgesamt gibt es heute um die 850 griechisch-orthodoxe Bischöfe.

Da nicht jeder Bischof, sondern nur jede Kirche auf diesem orthodoxen Konzil eine Stimme haben wird und zusätzlich alle Beschlüsse einstimmig erfolgen müssen, sind einer frei beweglichen Meinungs- und Mehrheitsbildung von vornherein enge Grenzen gesetzt. Damit werden in der Irenenkirche überraschende Wortmeldungen und Anträge jedoch genauso wenig ausgeschlossen wie seinerzeit ein Kardinal Afredo Ottaviani das Ausbrechen des II. Vatikanums aus den von ihm und seinem Kreis vorbereiteten „Konzils-Schemata“ verhindern konnte. Genug Zündstoff dafür dürfte vorhanden sein, gerade auf dem Gebiet der Sexualmoral, wie schon ein überaus heftiger vorkonziliärer Schlagabtausch in Sachen außerehelicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen gezeigt hat (öki 12 vom 17.3. und 19 vom 5.5.2015).

Die Unausweichlichkeit dieser Thematik, die nicht wegdementiert werden kann, ist auch in der Orthodoxie längst bewusst. Schon zur Zeit des II. Vatikanums trat der 1948 zugunsten von Athenagoras I. zurückgetretene Ökumenische Patriarch Maximos V. Vaportzis (1897-1972) für eine Liberalisierung der kirchlichen Lehre zur Sexualität ein: „Haben wir nicht das Recht zu fragen, ob gewisse Einstellungen nicht das Produkt veralteter Ideen und vielleicht einer Junggesellenpsychose von Menschen sind, die mit diesem Teilbereich des Lebens nicht vertraut sind?“

Maximos V. warnte vor Missachtung der Klugheit, einer Kardinaltugend, an der alle Moral zu messen sei. Er sah die Kluft zwischen der offiziellen Kirchenlehre und der gegenteiligen Praxis der überwältigenden Mehrheit christlicher Paare und bedauerte, dass „die Gläubigen sich gezwungen sähen, in Konflikt mit dem Gesetz der Kirche zu leben, abgeschnitten von deren Sakramenten.“

Zoe Konstantopoulou: Niemals wieder Mauthausen! Ruf nach Wiedergutmachung für Hellas an der „Todesstiege“

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Das Gedenken an die Befreiung von Mauthausen durch die Amerikaner war am Sonntag auch passender Anlass, um die Welt an andere und noch ungesühnte NS-Verbrechen wie vor allem in Griechenland zu erinnern. Die Präsidentin der Athener Vouli, Zoe Konstantopoulou, tat das am griechischen Ehrenmal des einstigen KZ

in unüberhörbarer Weise vor einem Publikum, das nicht geeigneter sein konnte:

22 000 ehemalige Insassen des berüchtigten Männerlagers zur „Vernichtung durch Arbeit“, ihre Nachkommen, Politikerinnen und Politiker sowie erfreulich viele Jugendorganisationen hatten sich am „Steinbruch“ des Todes versammelt, um die Opfer zu ehren und Zeugnis gegen jede Wiederholung derartiger Gräuel abzulegen. An der Spitze der griechischen Parlamentsdelegation befand sich Zoi Konstantopoulou in der besten Gesellschaft des Kronprinzenpaares von Luxemburg, des tschechischen Regierungschefs, des Präsidenten der belgischen Abgeordnetenkammer und natürlich von Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer als Gastgeber der Gedenkveranstaltung.

Umgeben vom Abgeordneten der Märtyrerstadt Distomon, Yannis Stathis, der Eurokritikerin Rachil Makris aus Kozani sowie dem Präsidenten des Israeliten-Rates von Griechenland, Moisis Konstantinis stimmte Konstantopoulou in den allgemeinen Ruf ein: „Nie wieder Mauthausen!“. Sie sei aber nicht nur gekommen, um den Toten des Lagers jeder Nationalität, Juden, Roma, Sinti oder Homosexuellen Ehrerbietung zu erweisen. Über ihrem Andenken dürfte nicht vergessen werden, dass viele andere Untaten von NS-Terror und –Militarismus bis heute nicht gesühnt sind, ihre Wiedergutmachung auf sich warten läßt, ja grundsätzlich abgelehnt wird. „Ich stehe hier auf dem Boden von Mauthausen auch als Vorsitzende der überparteilichen Kommission für die griechischen Entschädigungsansprüche aus Kriegsverbrechen und wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen seiner Besatzer im 2. Weltkrieg“. Als sie später mit Bundespräsident Fischer auf derselben Bank saß erkundigte sich dieser dazu eingehend bei seiner Nachbarin.

Es gab aber auch andere Gedenkredner, die von sich aus diese Thematik aufgriffen. Sie wiesen darüber hinaus darauf hin, dass Faschismus, innere und äußere Aggressivität im Europa zwischen den beiden Weltkriegen ihre Wurzeln nicht nur in verblendeten Ideologien, sondern ebenso in Arbeitslosigkeit, Not und der fehlenden Solidarität von Besitzenden mit den Darbenden hatten. Das galt nicht nur für Gesellschaftsschichten, sondern ebenso für ganze Staaten. Eine Situation, wie sie sich heute nicht nur gegenüber der Dritten Welt, sondern mitten in Europa erneut und gefährlich abzeichnet.

Besonders deutlich wurde in seiner Ansprache der österreichische Caritas-Präsident Michael Landau: „Verpflichtet uns nicht das Unrecht damals, heute den Vorrang des Menschen umso entschiedener zu betonen?!» fragte er. «Es geht um den bedingungslosen Vorrang des Menschen, jedes Menschen, der unendlich mehr ist, als eine kalkulatorische Größe, mehr ist als Produzent und Konsument, mehr ist, als ein Kostenfaktor auf zwei Beinen.» Verschuldete Länder und Völker dürften nicht nur durch die Brille des Buchhalters betrachtet und behandelt werden. Ein klarer Seitenhieb gegen gewisse Praktiken von EU und internationalem Währungsfonds IWF – nicht nur Griechenland gegenüber!

Die reicheren Länder seien zu einer Kultur der Solidarität verpflichtet, «auch ganz praktisch, weil Wohlstandsinseln in einem Meer von Armut auf Dauer nicht stabil sind». Und Landau warnte: «Wollen wir in einem Europa leben, in dem wir zwar Banken retten, bei Menschen aber viel weniger Mut, Geschwindigkeit und Entschiedenheit an den Tag legen. Niemals vergessen heiße deshalb auch, „heute gegen Unrecht einzutreten.“

 

Text: Heinz Gstrein                                    Bild: Georg Gstrein